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Copyright © Jürgen Fälchle @ fotolia.com

AdBlue oder der Abschied vom Dieselauto

Die Hersteller, die ihre Investitionen in die Dieselmotorenproduktion getätigt haben, stecken in einem Dilemma. Die bisher gesetzeskonforme Abgasmessung steht auf dem Prüfstand und wird es nicht mehr geben. Letztendlich ist die Schadstoffentgiftung nur mit aufwendigen technischen Verfahren möglich. AdBlue als zusätzlicher Verbrauchsstoff ist schon seit Jahren bei Lastkraftwagen ein probates Medium zur Schadstoffentgiftung, wirkt sich bei den Pkw jedoch als Kostenfaktor stärker aus und stellt die Wirtschaftlichkeit von Dieselautos infrage.
Als letzten Ausweg, die hohen Stickoxidemissionen in der Praxis zu senken, setzen die Hersteller auf ein chemisches Verfahren, bei dem gesundheitsschädliche Stickoxide mithilfe von Ammoniak in Stickstoff und Wasserdampf umgewandelt werden. Hierfür wird ein Speicherkatalysator eingebunden, der die Stickoxide für kurze Zeit lagern kann. Dieses aufwendige Verfahren bietet zurzeit den besten Wirkungsgrad bei der Schadstoffentgiftung und muss selbst bei Kleinwagen mit Dieselmotor eingesetzt werden. Neben der Technologie benötigt man einen Zusatzstoff in einem separatem Tank mit dem Markennamen AdBlue: eine Mischung aus 67,5 % Wasser und 32,5 % Harnstoff. Aus dem Zusatztank wird AdBlue in den Abgasstrom eingespritzt und vom Katalysator chemisch zersetzt. Hierbei bildet sich Ammoniak, der mit den Stickoxiden reagiert und diese überwiegend in Stickstoff und Wasserdampf umwandelt. Bei dieser Methode reagieren selektiv Stickoxide. Daher heißt dieses Verfahren in der Fachsprache auch Selective Catalytic Reduction (SCR).

Aufwendiges Reinigungsverfahren

Das aufwendige Verfahren funktioniert technisch nur mithilfe von Druck-, Temperatur- und Abgassensoren. Und technisch lässt sich der Wirkungsgrad der Abgasreduzierung von mehr als 80 % nur erzielen, wenn die zugesetzte Menge AdBlue kontinuierlich bei 40–60 Milliliter pro verbrauchten Liter Dieselkraftstoff liegt. Das ergibt bei durchgehender Reinigung ohne Abschaltvorrichtungen auf 100 Liter Diesel noch einmal 4–6 Liter AdBlue. Die Mehrkosten ziehen sich dann wie ein roter Faden durch: angefangen vom höheren Anschaffungspreis, über die Zusatzkosten beim AdBlueverbrauch bis hin zur Wartung des Systems bei Fehlern in der Abgasreinigung. Da AdBlue bei –11,5 °C gefriert, ist der Tank für den Zusatz bei allen Autos beheizbar. Bei Mercedes wird es schon auf den Punkt gebracht und AdBlue als Regelbetriebsstoff definiert.
Einfach zugängliche Tanks, die sich an der Zapfsäule mit AdBlue an der Tankstelle per Zapfhahn nachfüllen lassen, gibt es momentan nur bei wenigen Modellen. Ansonsten muss die reizende und ätzende Lösung manuell nachgefüllt werden. Und das ist recht aufwendig, weil der Tank oft im Kofferraum untergebracht ist. An größeren Tanks, die die Servicefreundlichkeit verbessern, besteht herstellerseitig wenig Interesse, denn dann steigen Gewicht und Kraftstoffverbrauch und somit die Einstufung in höhere Gewichtsklassen mit strengeren Vorgaben für die Abgaswerte.
Die Fahrtstreckecke, die pro Jahr zurückgelegt werden muss, damit sich ein Diesel wirtschaftlich rechnet, wird in der Realität zum Beispiel von Außendienstmitarbeitern erzielt. Für Privatnutzer rechnet sich der höhere Kostenaufwand nicht. Während der Anteil der Neuzulassungen von Diesel-Pkw im Jahr 2015 noch bei 48 % bei den Neuzulassungen lag, ist der Anteil für den Oktober 2016 schon auf 44,2 % gesunken. Wenn der Druck der Zulassungsbehörden steigt und nur noch unter realen Bedingungen der Stickoxid-Ausstoß gemessen werden darf, werden voraussichtlich nur noch Dieselfahrzeuge mit SCR-Technik zugelassen. Der Abschied vom Dieselauto setzt sich langsam fort.

 

Titelbild: Copyright © Jürgen Fälchle @ fotolia.com

N. Hagedorn