Die öffentliche Ladeinfrastruktur wird in diesem Jahr ein rasantes Wachstum hinlegen. Allein Tesla hat schon über 6.000 Ladeplätze in Europa installiert. Mit jeder neu aufgebauten Station wächst häufig auch die Ladeleistung. Bei Tesla wurde mit den neuen, bis zu 250 kW leistenden „V3“-Superchargern die Ladegeschwindigkeit unter optimalen Bedingungen auf bis zu 1600 Kilometer pro Stunde erhöht. Damit lassen sich beim Model 3 maximal 120 Kilometer Reichweite in 5 Minuten erreichen. Mit der Anzahl der Ladesäulen steigt kontinuierlich das Angebot an mobilen Ladestromtarifen. Der Durchblick für den günstigsten Tarif ist an den enthaltenen Sonderbedingungen gekoppelt. Zur Auswahl des passenden Tarifes lohnt ein intensiver Blick auf die Kostenfallen.
Im März 2021 sind laut Bundesnetzagentur 35.076 Normal- und 5.730 öffentlich zugängliche Schnellladepunkte in Deutschland vorhanden. Noch mehr Ladesäulen im öffentlichen Raum werden in den kommenden Jahren erwartet, wenn bis 2030 zwischen 7 und 10 Millionen Elektroautos auf den Straßen Deutschlands unterwegs sein sollen.
Das Angebot an kostenlosen Ladestationen verschwindet allmählich und ist lediglich noch mit begrenzten Angeboten an Einkaufszentren zu finden. Damit rücken die mobilen Ladetarife in den Fokus der E-Fahrer.
Die EUPD Research Sustainable Management GmbH registriert in der aktuellen Analyse bereits 383 mobile Ladestromtarife (März 2021). Die Tarifangebote sind laut EUPD Research vielschichtig. Überregionale und regionale Ladetarifangebote konkurrieren um den optimalen Tarif für Elektromobilisten. Wir schauen auf die wichtigsten Kriterien bei der Tarifwahl.
Mein Ladeverhalten als Basis
Grundsätzlich lässt sich die Entscheidung für den passenden Tarif an drei typischen Nutzergruppen festmachen:
Wallbox-Nutzer laden ihr Elektroauto meistens an der heimischen Ladestation oder am Arbeitsplatz auf. Unterwegs laden sie nur extrem selten. Ihre Durchschnittslademenge an einer öffentlichen Ladestation beträgt weniger als 50 kWh pro Monat. Das entspricht zum Beispiel einer Vollladung.
Kurzstreckenpendler sind häufig in der Stadt unterwegs und laden ihr Elektroauto auch wöchentlich auf. Ihre Durchschnittslademenge beträgt an einer öffentlichen Ladestation circa 50 bis 200 kWh pro Monat.
Langstreckenfahrer sind regelmäßig beruflich oder privat unterwegs und auf die öffentlichen Ladestationen für ihr Elektroauto angewiesen. Ihr Elektroauto laden sie im Durchschnitt mindestens fünfmal monatlich an öffentlichen Ladesäulen voll. Das entspricht einer Ladung von mindestens 200 kWh pro Monat.
Mit dem Ladeverhalten sollte jeder E-Autofahrer auf die folgenden Kostenfallen in den jeweiligen Tarifen Rücksicht nehmen.
Grundgebühren
Die Nutzung des eigenen Elektroautos sollte das Hauptaugenmerk sein. Wie viele Kilometer pro Jahr werden gefahren und wie häufig nutze ich überhaupt einen mobilen Tarif? Wer zu Hause eine Wallbox nutzt, kann sich viele Ladevorgänge unterwegs einsparen. Ein Tarif mit einer fixen Grundgebühr wie bei Gas- oder Stromtarifen im Haus ist nicht sinnvoll. In diesem Fall lohnt sich ein Tarif, der pro geladener Kilowattstunde abgerechnet wird und ein breites Ladenetz abdeckt.
Die Politiker haben schon 2018 ein Papier verabschiedet, das den »derzeit bestehenden Wildwuchs an Tarifsystemen für Ladestrom« in übersichtliche Bahnen lenken sollte. Strom soll eigentlich nach Menge, also Kilowattstunden, abgerechnet werden. Es gibt aber Ausnahmen: Die Anbieter dürfen Gebühren für die Freischaltung oder Blockierung der Ladesäulen verlangen.
Ladegrundgebühren
Anbieter ohne Grundgebühren pro Jahr oder Monat bieten häufig Tarife mit einer Gebühr pro Ladevorgang an. Der vermeintlich niedrige Preis pro Kilowattstunde kann gerade bei verkürzten Ladevorgängen für Verdruss bei den Abrechnungen sorgen. Auch beliebt bei den Anbietern sind die Pauschalen pro Ladevorgang, die häufig nach dem Tempo der Ladestation gestaffelt sind. Diese Tarife lohnen sich häufig nur, wenn das Auto komplett auf 100 % aufgeladen wird.
Blockiergebühren
Zur optimalen Ausnutzung der Ladesäulen sind Wartezeiten an der Ladesäule für kostenloses Parken ohne Ladevorgänge ein Dorn im Auge der Tarifanbieter. Hier haben sich schleichend schon verdeckte Kosten bei einigen Anbietern durchgesetzt. Als Beispiel ist hier die seit 2. November 2020 eingeführte Blockiergebühr der EnBW Energie Baden-Württemberg AG genannt: „Die Blockiergebühr greift nach vier Stunden Anschlusszeit und kostet 10 Cent je Minute. Um zu hohe Kosten für dich zu vermeiden, haben wir den Kostenairbag entwickelt, der die Blockiergebühr bei 12,00 EUR je Ladevorgang deckelt.“ Damit können sich die Kosten für den Ladevorgang noch einmal deutlich erhöhen.
Zeitabrechnung
Auch die Abrechnung nach Zeit ist noch in Verwendung. Hierbei wird die Verbindungszeit an der Ladesäule als Abrechnungsbasis genutzt. Der Nachteil liegt darin, dass der aktuelle Ladevorgang abhängig von den Faktoren wie Ladestrom, Ladestromkurven und Temperaturniveau unterschiedliche Ergebnisse erzielt. Tatsächlich kann man hier nur nachträglich durch die Umrechnung auf die geladenen Kilowattstunden ein durables Ergebnis für den Ladevorgang erhalten. Das kann von Vorteil sein, wenn der Ladevorgang auf 80 % begrenzt wird.
Ladeverhalten ist entscheidend
Das Bonner Beratungshaus EUPD Research hat bereits im dritten Jahr in Folge einen starken Zuwachs an Tarifen ermittelt. Zwischen 2019 und 2021 hat sich bis zum März 2021 die Tarifanzahl mehr als verdreifacht. Sie ist von 124 auf 383 erfasste Tarife gestiegen. Im Jahresvergleich 2020 zu 2021 beträgt der Anstieg noch immer 33 Prozent. Die Gründe dafür liegen laut Christine Koch, Research Analyst bei EUPD Research, an der Umwandlung von kostenlosen zu kostenpflichtigen Ladeangeboten, den Tarifangeboten neuer Anbieter und spezifischeren Tarifen für einzelne Zielgruppen:
„Die EUPD-Analyse zeigt, dass verschiedene Entwicklungen die Zunahme an Ladestromtarifen prägen. Nach Jahren des kostenlosen Ladens besteht zum einen für Ladesäulentreiber ein zunehmender Druck zur Refinanzierung der Investitionen. Zum anderen führt das starke Marktwachstum an Elektroautos zu ebenso steigenden Ladeaufkommen und damit einhergehenden Ladekosten. Die Anzahl der Tarifangebote pro Anbieter steigt ebenfalls. Neben dem gesetzlich vorgeschriebenen Ad-hoc-Laden umfasst das Angebot zumeist noch mindestens einen zusätzlichen Ladetarif bzw. mobilen Ladevertrag (z.B. Ladekartentarif, Vielladertarif, Gelegenheitsladertarif, Bestandskundentarif etc.), um spezifische Nutzergruppen direkt anzusprechen. Darüber hinaus wird der Wettbewerb durch neue Tarifanbieter auf dem Markt erhöht.“
(Quelle EUPD Research )
Eine höhere Bedeutung wird in den kommenden Jahren auch der Verkauf von Tarifen beim Kauf eines Elektroautos zugemessen. Die sogenannten Automotives wollen den Verkauf des Elektroautos direkt mit der Bereitstellung einer öffentlichen Ladeinfrastruktur kombinieren. Dies führt laut EUPD Research neben neuen Einnahmequellen der Automotives auch zu einer langfristigen Kundenbindung.
Fazit
Der Tarifdschungel an mobilen Ladetarife nimmt jährlich zu. Bei den Vielfahrern können sich je nach Ladetarif Unterschiede von mehr als 1.000 Euro pro Jahr ergeben. Zur Kostenersparnis kann jeder E-Mobilist mit der richtigen Strategie die Kostenfallen umgehen, indem er die Abrechnungsmodelle vergleicht und den für die eigenen Zwecke optimalen Tarif wählt.
Addendum
Titelbild Sinnbild Ladestromtarif – ©RS-Studios – stock.adobe.com
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