Anderthalb Flugstunden westlich von London ticken die Uhren ein bisschen langsamer. Irland liegt in derselben Zeitzone wie das Vereinigte Königreich, eine Stunde vor uns, aber in manch einem irischen Dörfchen könnte man meinen, die Uhr wäre vor hundert Jahren stehen geblieben. Herrschaftliche Burgen, die die Zeit überdauert haben, dazwischen sattgrüne Hügel mit friedlich grasenden Schafen und in der Ferne das Rauschen des Atlantiks.
Viele Tourismusunternehmen haben die Sehnsuchtsorte der Grünen Insel entdeckt und bieten Touren, auf denen ein Programmpunkt dem nächsten folgt. Wer allerdings Entschleunigung sucht und Orte fernab der Touristenmassen entdecken möchte, dem bietet sich ein Roadtrip auf eigene Faust an.
Egal ob per Mietauto oder dem eigenen Wohnmobil – als Start- und Endpunkt ist Dublin eine gute Wahl. Irlands quirlige Hauptstadt lädt mit ihren unzähligen Pubs zum Verweilen ein und auch kulturell lohnt sich ein Besuch des ehrwürdigen Trinity College mit seiner beeindruckenden Bibliothek.
Feinschmecker und Bierliebhaber sollten sich eine Führung durch die Guinnessbrauerei nicht entgehen lassen. Das hier gebraute Schwarzbier ist das Nationalgetränk Irlands und auf der ganzen Welt berühmt.
Der Westen – einsame Landstriche und lebhafte Pub-Musik
Etwa drei Stunden südwestlich von Donegal liegt der Connemara Nationalpark. Auf dem Weg dorthin lohnt sich ein kurzer Halt bei Hillary Harbour, dem einzigen Fjord Irlands. Einmal kurz die Beine vertreten, die frische Seeluft schnuppern und weiter geht es.
Am Rande des Connemara Nationalparks liegt das malerische Schlösschen Kylemore Abbey. Heute ein Benediktinerkloster, ist es ein beliebter Ausflugspunkt und liegt malerisch an einem See, der zum Spazierengehen einlädt.
Die Fahrt geht weiter: Vorbei an kahlen Hochebenen, rostfarbenen Moorlandschaften und klaren Bergseen gelangt man in eine der einsamsten und unwirtlichsten Gegenden des Landes. Doch nicht ohne Grund wurde diese vom Schriftsteller Oscar Wilde einst als „wilde Schönheit“ bezeichnet. Hier wird noch Torf gestochen und auf den Feldern liegen mehr Felsbrocken als Gras. Besonders in früherer Zeit war es für die Bauern ein hartes Los, aus dem steinigen Boden eine fruchtbare Ernte zu gewinnen. Die verlassenen Steinhäuschen am Wegesrand, die noch aus der Zeit der großen Massenauswanderung im 19. Jahrhundert sind, sind Zeugen, dass diesen Versuch viele aufgegeben haben.
Die Orts- und Straßennamen, die in ganz Irland oft auf englisch und gälisch auf den Schildern geschrieben sind, gibt es hier stellenweise nur auf gälisch. Es ist nicht wunderlich, wenn man stundenlang keinem Auto begegnet und Einkehrmöglichkeiten gibt nur wenige. Ständiger Begleiter ist der starke Wind, den man auch fernab der Küsten nicht entgehen kann.
Und dann, nach endlosen Stunden einsamer Landstriche, kommt am Ende der Etappe die muntere Hafenstadt Galway. Berühmt für seine lebhafte Gastronomieszene, ist sie auch für Musikliebhaber ein beliebtes Ziel. Urige Pubs, Michelin-Stern ausgezeichnete Restaurants und Folk-Musik an jeder Ecke laden zum Verweilen ein.
Anderthalb Stunden südlich von Galway liegt Irlands wohl berühmtestes Naturwunder: Kilometerweit erstrecken sich die Steilklippen von Moher und trotzen dem tosenden Atlantikwind. Es lohnt sich, früh morgens dort zu sein, denn die Aussicht ist so fantastisch, dass sie viele Touristen anzieht.
Der Süden – türkisblaue Buchten und üppig grüne Vegetation
Das Städtchen Killarney eignet sich hervorragend als Basis für mehrere Tagesausflüge. Wie eine sattgrüne Oase beginnt der gleichnamige Killarney National Park gleich außerhalb der Stadt. Das milde Klima der Region lässt die Vegetation sprießen, deswegen empfiehlt sich das Frühjahr besonders für einen Besuch. Mitten in den grünen Wäldern liegen mehrere kleine Seen und Ausflugsziele, wie das herrschaftliche Muckross House, das gut erhaltene Ross Castle, der Torc-Wasserfall oder die verwunschene Ruine Muckross Abbey. Alle sind gut zu Fuß oder mit dem Rad zu erkunden.
Ein beliebtes Postkartenmotiv, aber besser zu Fuß erreichbar, ist der Gap of Dunloe – ein schmaler Gebirgspass, an den sich eine idyllische Talsenke mit Seen und grünen Wiesen reiht.
Im Südwesten entfaltet der Wild Atlantic Way seine ganze Pracht. Zwei seiner Panoramastrecken führen um Dingle und Iveragh. Kaum eine andere Region der grünen Insel vereint so viele Attraktionen und landschaftliche Vielfalt wie diese beiden Halbinseln.
Die Iveragh Peninsula ist mit dem Ring of Kerry die größere und berühmtere der zwei und vereint grüne Hügellandschaften mit weißen Sandstränden und atemberaubenden Klippen, wie die Kerry Cliffs. Wer ein wenig Seeluft schnuppern möchte, kann eine Bootstour zu den kleinen Skellig-Inseln vor der Küste machen. Die Felseninseln mit ihren Klosterruinen sind so abenteuerlich, dass sie als Kulissen in einem der Star Wars Filme dienten.
Dingle gilt als die kleine, oft übersehene Schwester und das zu Unrecht – so bezeichnete National Geographic Dingle als einen der schönsten Orte der Welt. Vorbei an uralten Bienenkorbhütten, Steinkreisen und Örtchen wie Dingle, dessen farbenfrohe Häuschen wie aus einem Fernsehspot wirken, zweigt die R559 irgendwann ab in den berühmten Slea Head Drive. Die kurvenreiche Küstenstraße von Dingle bis zum Clogher Strand wirkt wie aus einem Irland-Märchen. Der Slea Head Drive ist so schön, dass man von Zeit zu Zeit eine der vielen Haltebuchten ansteuern muss, um den Ausblick zu genießen.
Anschließend führt der Weg über den Connor Pass, Irlands höchste Passstraße. Wer die steile Fahrt hinter sich hat, den begrüßt eine zerklüftete Mondlandschaft und ein sagenhaftes Panorama auf die Küste.
Ebenso erwähnenswert ist die Hafenstadt Cork, das 2005 zur Kulturhauptstadt Europas gekürt wurde und wo durch den warmen Golfstrom sogar Palmen wachsen. Vor den Toren Corks lohnt sich ein Abstecher zum Blarney Castle.
Fazit
Für ruhesuchende Naturliebhaber oder aufgeschlossene Kulturfans: Bei einem Irland-Roadtrip ist für jeden etwas dabei und man kann sich die Reiseziele nach den persönlichen Vorlieben auswählen. Damit der Urlaub stressfrei bleibt, sollte man mindestens zwei Wochen einplanen und während der Fahrt viele Pausen einlegen, um Irlands Erlebnisse genießen zu können.
Addendum
Autorin Larissa Huber
Titelbild – Nacht in der Temple Bar Street in Dublin – © Bartkowski @ AdobeStock
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