Um schnell und emissionsfrei durch die Stadt zu fahren, eignet sich neben dem Elektrofahrzeug auch ein weiteres Verkehrsmittel: das Rad. Doch in vielen Städten werden Radfahrer bei der Verkehrsführung kaum berücksichtigt und so geschehen nicht selten Unfälle, weil die Cyclisten von Fahrzeugführern einfach übersehen werden. Um dies zu verhindern, werden in Deutschland vermehrt Radschnellwege gebaut, die nicht nur den Radfahrern mehr Sicherheit geben, sondern die Qualität des Verkehrsablaufes verbessern sollen und dazu die Radfahrer schneller an ihr Ziel bringen.
Bislang sind Radschnellwege oder auch gut ausgebaute Radwege in Deutschland rar gesät und das trotz des großen Potenzials, das Radfahren für die Zukunft der Mobilität hat. Radfahren ist nicht nur für Kurzstrecken attraktiv: Durch Radschnellwege und mit der Nutzung von E-Bikes (siehe Infokasten) können auch weitere Distanzen bewältigt werden. Der Nutzen liegt nicht nur in der körperlichen und psychischen Gesundheit der Radfahrer, sondern dank der ausbleibenden Emissionen ebenso in der Umwelt. Auch die Kommunen profitieren von einem gesteigerten Radverkehr, da weniger Autos mehr Lebensqualität bedeutet – weniger Verkehr in den Innenstädten, weniger Fläche für Parkplätze und weniger Lärm sind nur einige der Aspekte.
Im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn hinkt Deutschland im Bereich der Radschnellwege deutlich hinterher. Im Fahrradland Niederlande wurden bereits in den 1980er-Jahren erste Fahrradrouten erprobt und im Jahr 2006 ein landesweites Programm gestartet, welches als Ziel hat, landesweit Radschnellwege in Ballungsräumen anzulegen. Bis zum Jahr 2025 soll so in den Niederlanden ein Netz mit 675 Kilometer Radschnellwegen errichtet werden. Auch in der Schweiz, Norwegen, Großbritannien und vor allem Dänemark sind Radschnellwege im Kommen. Allein in Kopenhagen wurden bis zum Jahr 2018 neun Routen mit einer Gesamtlänge von 200 Kilometer umgesetzt – seitdem sind rund 25 Prozent der Pendler nachweislich vom Auto auf das Rad umgestiegen. Und auch der skandinavische Nachbar Norwegen, der schon im Bereich der Elektromobilität in Europa führend ist, will den Fahrradanteil in den Stadtregionen von jetzigen 5 auf bis zu 20 Prozent erhöhen und so den Schadstoffausstoß um bis zu 50 Prozent zu reduzieren.
Was zeichnet Radschnellwege aus?
Besonders in Ballungsräumen mit staugefährdeten Pendlerstrecken sind Radschnellwege eine gute Alternative zum motorisierten Individualverkehr. Nach der Straßenverkehrsordnung stehen noch keine eindeutigen Beschilderungen für Radschnellwege zur Verfügung, dennoch gibt es allgemeine Qualitätskriterien. Eine durchgängige Trennung von Rad- und Fußverkehr ist dringend notwendig und auch zum Überqueren eines Radschnellwegs sind Fußgängerüberwege und Querungshilfen möglich. Radschnellwege sollten zudem wenige Steigungen besitzen und eine gewisse Mindestbreite aufweisen (in Nordrhein-Westfalen beispielsweise 4 Meter). Der Straßenbelag sollte dazu so ausgelegt sein, dass er auch bei höheren Geschwindigkeiten bis 40 km/h gut und sicher befahrbar ist, da auch Fahrer von E-Bikes die Strecken nutzen werden. Natürlich sind auch eine regelmäßige Reinigung und ein Winterdienst sowie innerorts eine ausreichende Beleuchtung für Radschnellwege sinnvoll.
Durch eine breite Straßenführung kann, anders als auf üblichen Radwegen, auch nebeneinander gefahren werden und auch das Überholen wird auf den Schnellwegen deutlich einfacher. Da die Vorfahrtsregelung – sollten befahrene Straßen überquert werden müssen – meist zugunsten der Radfahrer ausfällt, sind Radfahrer auf den Schnellwegen deutlich zügiger unterwegs als auf normalen Radwegen. Ein sichereres und komfortableres Gefühl ist dank des störungsfreien Radfahrens ohne lästiges Auf- und Absteigen an Ampeln und Kreuzungen ein weiterer Vorteil der Radschnellwege, die auch Velorouten genannt werden können.
Vorreiter für Radschnellwege in Deutschland ist Nordrhein-Westfalen. Das Bundesland entwickelte bereits erste verbindliche Kriterien für Radschnellwege auf Landesebene und plant ein breites Netz von Radschnellwegen, also Verbindungen, auf denen sich die Fahrtzeiten mit dem Rad verkürzen können. Insgesamt sieben solcher großen Radschnellwege sind in Planung, die ersten Kilometer sind bereits fertig gestellt. Die erste ausgebaute Route soll der Radschnellweg Ruhr RS1 werden – das erste, 10 Kilometer lange Teilstück wurde im November 2015 fertiggestellt.
Radschnellweg Ruhr RS1 wird erst 2030 fertig gestellt
Von Duisburg über Mülheim, Bochum und Dortmund bis nach Hamm, über eine Strecke von insgesamt 101 Kilometer soll der Radschnellweg Ruhr RS1 führen. 1,65 Millionen Menschen leben im künftigen Einzugsbereich des RS1 und rund 430.000 Arbeitsplätze liegen entlang des geplanten Radschnellwegs. 2016 wurde die 5 Kilometer lange Strecke von der Stadtgrenze Essens zum Hauptbahnhof in Mülheim eröffnet. Der Radweg auf diesem Streckenteil verläuft dabei höchst imposant: hoch über dem Straßenniveau über das Stadtviadukt.
Neben dem RS1, mit geplanten 101 Kilometer der längste Radschnellweg, sind noch sechs weitere Radschnellwege in Nordrhein-Westfalen geplant. Der Radschnellweg Westmünsterland mit einer Länge von 45 Kilometer verbindet Isselburg an der niederländischen Grenze mit Coesfeld im Münsterland. Der kürzeste der geplanten Radschnellwege wird mit einer Länge von 8 Kilometer zwischen den Städten Frechen und Köln verlaufen.
Der Radschnellweg RS1 wird wohl erst zum Ende des Jahrzehnts fertig gestellt. Nach einer Kleinen Anfrage des Abgeordneten Carsten Löcker (SPD) an die Landesregierung NRW vom 25.01.2022 geht aus der Antwort hervor, dass die letzten Abschnitte wohl erst im Jahr 2030 fertig gestellt werden aufgrund der langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren.
Berlin
Auch die Hauptstadt plant ein Netz von Radschnellwegen und hat bereits Qualitätsstandards für diese festgelegt. Im Frühjahr 2017 wurden aus 30 möglichen Trassenkorridoren 12 Korridore herausgesucht, welche das größte Potenzial für Radschnellwege bieten. In den nächsten Jahren sollen nun Machbarkeitsstudien für die insgesamt 100 Kilometer langen Trassenkorridore erstellt werden.
Bremen
Auch in der Hansestadt Bremen wird es demnächst einen Radschnellweg geben: Eine Fahrrad-Premiumroute von Farge nach Mahndorf (43 Kilometer) wird erwartet, die Fertigstellung wird voraussichtlich 2026 erfolgen. 8 Routen sollen für den schnellen Radverkehr in der Hansestadt ausgebaut werden, sodass ein flächendeckendes Schnellradwegenetz entsteht.
Frankfurt
Als Pendlerhochburg gilt die Region Frankfurt-Rhein-Main – rund 5,7 Millionen Menschen leben in über 460 Städten und Gemeinden. Größere Städte wie Frankfurt am Main, Darmstadt oder Wiesbaden liegen in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander und bieten durch ihre komplexen Pendlerströme ein gutes Potenzial für den Ausbau von Radschnellverbindungen. Und so sind in der Region schon einige Radschnellwege in der Planung, zum Beispiel eine Radschnellverbindung, die die Städte Frankfurt, Maintal und Hainau verbinden soll. Auch eine Rad-Direktverbindung Frankfurt – Darmstadt ist geplant.
Göttingen
Der eRadschnellweg in Göttingen in Süd-Niedersachsen ist der erste Radschnellweg bundesweit, welcher zentral durch eine Stadt führt. Der 4 Kilometer lange Radschnellweg dient dabei als Testphase, welche Anforderung E-Bikes, also Elektrofahrräder, an die Infrastruktur stellen und ob das Angebot eines Radschnellweges mehr Pendler dazu bringt, das Auto stehen zu lassen und stattdessen mit dem Fahrrad oder E-Bike zum Job zu fahren. Und die Testphase lief erfolgreich: Rund eine Million Radfahrer nutzten laut einer Zählstelle den eRadschnellweg im Jahr 2016, das heißt zwischen 3.700 und 4.200 Radler täglich. Auch weitere Streckenabschnitte sind in der Planung, beziehungsweise im Bau befindlich, der Radverkehrentwicklungsplan wird fortgesetzt.
Hamburg
Ein richtiges Veloroutenkonzept hat indes die Hansestadt Hamburg vorgestellt. Das Ziel des Hamburger Senats, in den 2020er-Jahren den Radverkehrsanteil an allen in Hamburg zurückgelegten Wegen auf 25 Prozent zu steigern, soll jetzt durch die Umsetzung einer Radverkehrsstrategie erreicht werden. 14 einzelne Velorouten mit einer maximalen Länge von 42 Kilometer und einer Gesamtlänge von 280 Kilometer sollen die einzelnen Ringe Hamburgs miteinander verbinden und gleichzeitig auch touristische Ziele berücksichtigen. So sind die Radschnellwege nicht nur für den alltäglichen Weg zur Arbeit geeignet, sondern auch für Touristen oder Einheimische gedacht, die neue, unbekannte Seiten von Hamburg kennenlernen wollen. 12 Velorouten sollen daher vom Rathausmarkt sternförmig in die äußeren Stadtteile verlaufen und zwei Routen sind als Ringverbindungen zwischen den Wohngebieten der inneren und äußeren Stadt geplant. Pläne für die Velorouten sind schon jetzt online abrufbar, denn auf vielen Abschnitten sind die Velorouten in Hamburg schon jetzt weitestgehend abseits der Hauptverkehrsstraßen durch Tempo-30-Zonen und auf Fahrradstraßen befahrbar.
Kiel
Die Hauptstadt des nördlichsten Bundeslands Schleswig-Holstein gilt als fahrradfreundlichste Stadt Norddeutschlands und bietet mittlerweile 13 Velorouten (keine Radschnellwege). Der erste Radschnellweg dieser Velorouten ist die Veloroute 10.
Nürnberg
Im Großraum Nürnberg sind bislang 7 Städteverbindungen geplant, welche sich in 10 Trassen aufspalten werden, so zum Beispiel Strecken zwischen den Städten Nürnberg, Fürth, Lauf, Oberasbach und Erlangen. Die längste Strecke mit knapp 19 Kilometer soll von Fürth nach Schwabach führen. Fertiggestellt ist bislang noch keiner der Schnellwege, sie befinden sich bislang noch in der Planung.
Zweite Förderrunde zum Ausbau des Radfernwegenetzes ist gestartet
“ Vom 03. Mai bis zum 31. August 2023 können beim Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) Förderanträge für Vorhaben auf dem Radnetz Deutschland eingereicht werden. Für den neuen Förderaufruf stehen für die Haushaltsjahre 2023 bis 2028 bis zu 45 Millionen Euro bereit. Für Vorhaben, die bis Ende 2024 abgeschlossen werden können, stehen weitere Mittel in Höhe von bis zu 55 Millionen Euro bereit. Der Bund beteiligt sich an der Finanzierung der förderfähigen Maßnahmen mit einem Regelfördersatz von bis zu 75 Prozent. Antragsberechtigt sind Kommu-nen, Landkreise und andere juristische Personen des öffentlichen sowie des privaten Rechts.“
Quelle: Bundesamt für Logistik und Mobilität
Fazit
Während es also in manchen Städten und Gemeinden in Sachen Radschnellwege schon deutlich vorangeht, ist in anderen Regionen noch deutlicher Handlungsbedarf zu erkennen. Dabei machen es doch die Nachbarländer schon vor. Radschnellwege sind nicht nur für die Lebensqualität in den Städten gut, sondern auch für die Umwelt und die eigene Gesundheit. Vielleicht lassen Sie heute ja auch zur Abwechslung mal Ihr Auto stehen und benutzen das Rad – jeder Kilometer mit dem Rad ist ein sauberer Kilometer. Die Umwelt wird es Ihnen danken!
Addendum:
Artikel aus dem green car magazine
Titelbild: Unterwegs mit dem Fahrrad – Copyright Jacek Chabraszewski @ fotolia.com
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