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Prototyp Sono Sion - Copyright Sono Motors

Tod oder Gladiolen – Sono Motors verabschiedet sich vom Sion und beantragt Schutzschirmverfahren


Über kaum ein Projekt in der Elektroautoentwicklung wurden über so viele Jahre Ankündigungen und Änderungen berichtet wie bei der Entstehung des angekündigten Solar-Automobils von Sono Motors aus München. Angefangen hat es mit vielen Versprechungen für ein komplett neu konzipiertes und kostengünstiges Solar-Elektroauto. Über die letzten Jahre hat man sich scheibchenweise vom preisgünstigen Elektroauto für die Stadt verabschiedet. Jetzt ist nach über sechs Jahren Entwicklungsarbeit auch die Finanzierung der Produktion auf dem Prüfstand. Ein Blick zurück und in die Zukunft nach dem Abschied vom Sion.

Rückblick

In die Lücke der preisgünstigen BEV sind jetzt schon die etablierten Hersteller mit dem Twingo Electric, dem e.GO Life oder dem Dacia Spring inklusive Umweltbonus hineingesprungen. Und selbst unterhalb dieser sehr einfachen Elektroautos gibt es schon mit dem Citroen Ami eine noch einfachere und stadttaugliche Alternative, die schon für die Kosten einer Monatskarte für den Bus geleast werden können. Insofern hat sich die Zukunft Strategie für das Münchener Startup in den letzten Jahren massiv verändert.

Die globalen Player der Autoindustrie haben den Markt für das emissionsfreie Auto inzwischen längst zu ihrer eigenen Kernkompetenz erklärt. Immerhin hat das Münchener Selbstvertrauen bei Sono Motors in den letzten Jahren nicht gelitten. Das von den Fußballern bekannte „Mia-san-mia“ wird kontinuierlich neuen Pressemeldungen und Facebook-Postings untermauert. Alle Akteure sprechen in vielversprechenden und aufwendig produzierten Videospots vom neuen Solar-Automobil. Das kann nur realisiert werden mit einem neuen Kleid aus Solarflächen auf dem gesamten Auto. Das ist nicht wirklich neu, sondern wird auch schon von anderen Herstellern auf sinnvollen Flächen wie auf dem Autodach (Toyota) integriert. Sono Motors hält an den Plänen zu den Solarflächen auf der gesamten Oberfläche des Autos fest. Das kostet Entwicklungszeit und -gelder, die sich dann auch im Preis niederschlagen. Für dieses Verfahren müssen ganz neue Werkzeugmaschinen und Fertigungsverfahren bis zur Serienreife entwickelt werden.

Konzentration auf das Solar-Auto


Ein Blick auf die fortlaufenden Änderungen schlägt sich auch in der Verwendung neuer Komponenten nieder. War man anfangs noch optimistisch, mit einem kompakten Akku und günstigen Produktionskosten an den Start zu gehen, hat sich der Kaufpreis inzwischen mit allen Aktualisierungen auf 28.500 Euro hochgeschraubt. Damit liegt man jetzt schon preislich auf dem Niveau von Konkurrenzmodellen wie dem Renault Zoe oder Nissan Leaf (ohne Umweltbonus). Dafür erhält man laut Herstellerangaben aber auch einen zeitgemäßen Akku mit 54 kWh Kapazität und die Solarintegration mit dem Versprechen den Akku auch während der Standzeit in der Sonne aufladen zu können. Das wird aber weder in den Häuserschluchten der Großstadt noch in den Parkhäusern, Carports oder Garagen erfolgen. Auch die Reduzierung auf eine Farbe und eine Ausstattungsvariante schließt schon vorab viele Käuferschichten, die eine stärkere Individualisierung beim Neuwagenkauf bevorzugen, von vornherein aus.
Schaut man auf den aktualisierten Status der SVC3 Komponenten-Freigabe auf der Internetseite von Sono Motors (03/2022) sind für viele Komponenten noch nicht einmal Lieferanten für Chassis, Exterieur oder Interieur definiert. Der definitive Start der Serienfertigung im Jahr 2023 ist angesichts der ungewissen Lieferantensituation zurzeit noch nicht von Sono Motors kommuniziert worden. Das Münchener Start-up arbeitet eifrig an der Serienfertigung des 4,50 Meter langen Sion mit Solarpaneelen. Der 120 kW (163 PS) starke Elektromotor stammt von Continental bei, das Akkupaket hat eine konkurrenzfähige Kapazität von 54 kWh. Die Reichweite mit vollem Akkus wird mit bis zu 305 Kilometer laut Hersteller angegeben, die durch Aufladung mit Solarenergie nochmals erweitert: Die 250 Solarzellen sollen bis zu 35 Kilometer am Tag bei optimalen Bedingungen ermöglichen. Im Schnitt sollen es 16 Kilometer zusätzlich sein. Die Aufladung an der Schnell-Ladesäule soll in circa 30 Minuten 80 Prozent des Akkustandes erfolgen. Mit dem bidirektionalen Ladegerät kann der Sion flexibel für elektrische Geräte oder Fahrzeuge eingesetzt werden.

Der letzte Anker


Tod oder Gladiolen – das Original des Spruchs entstammt einer viertägigen Volkswanderung, die jährlich in der dritten Juliwoche in Nijmegen stattfindet. Am Ziel werden den erfolgreichen Teilnehmern Gladiolen (Schwertblumen) überreicht. Bekannt in Deutschland wurde das Zitat durch den früheren Bayern-Trainer van Gaal. Die kommenden Tage werden wohl entscheidend für das Projekt „Sion“ von Sono Motors aus München. Bisher liegen laut Hersteller schon tausende Vorbestellungen vor. Ein Umweltbonus kann bisher nicht gewährt werden beim Kauf für den Neuwagen.

Daher liegt man nicht nur im Wettbewerb beim Neukauf weit hinter der Konkurrenz zurück sondern auch bei der Realisierung einer durablen Produktionslinie. Der letzte Rettungsanker wird jetzt ausgeworfen. Es sollen zu den bisherigen Bestellungen weitere 3.500 Vorbestellungen in den nächsten 50 Tagen erfolgen (Stand 08.12.2022). Dabei räumt jetzt auch der Hersteller ein, dass das gesamte Projekt Sion bei einem Scheitern dieser Kampagne einen Rückzug aus diesem ambitionierten Projekt geben wird. „Sollten wir die Kampagne nicht erfolgreich abschließen können, planen wir uns auf unser attraktives B2B-Solargeschäft zu konzentrieren, das deutlich weniger kapitalintensiv ist. „(Zitat aus der Pressemeldung vom 08.12.2022)

#Update 26.01.2023 – Jetzt wurde diese gescheiterte Kampagne noch einmal verlängert bis zum 28.02.2023 ohne konkrete Angaben zur Realisierung des Projektes. In einem Video wird lediglich darauf hingewiesen, weitere Vorbestellungen zu tätigen und es soll weitere Gespräche mit potentiellen Investoren geben. Bis auf die Mitglieder der Community findet das Konzept aktuell wenig Akzeptanz.

Update 24.02.2023 – In einer Pressemitteilung wurde heute bekannt gegeben, das Projekt Sion komplett einzustellen und das Unternehmen komplett zu fokussieren auf die Ausrüstung von Fahrzeugen anderer Automobilproduzenten. Hierzu sind schon konkrete Projekte in der Pressemittelung verifiziert: „Sono Motors arbeitet derzeit als Entwicklungspartner und Zulieferer mit Unternehmen in zehn Märkten in Europa, Asien und den USA zusammen, u.a. mit Mitsubishi Europe, CHEREAU und den beiden Volkswagen-Tochterunternehmen Scania und MAN Truck & Bus. In Zukunft will sich Sono Motors speziell auf Busse und Autos von anderen OEMs konzentrieren.“ ( PM Sono Motors vom 24.02.2023 )

Doppelter Ärger für die Vorbesteller

Für alle Vorbesteller gibt es jetzt gleich zwei Enttäuschungen. Das Auto kann nicht ausgeliefert werden und die bereits geleistesten Anzahlungen werden nicht sofort erstattet sondern in drei Raten bis 2025 zurückgezahlt. Auf der Internetseite wird in einem Video wird dagegen ausführlich erklärt, wie man sehr schnell auf einen Teil seiner Rückzahlung im Online-Formular verzichten kann. Offensichtlich setzt man bei Sono Motors auf großzügigen Verzicht der gelisteten Anzahlungen. Das wird für weiteren Diskussionsbedarf in der Community sorgen.

Update 15. Mai – Antrag auf das Schutzschirmverfahren gestellt

Die Rückzahlung der Anzahlungen hängt seit dem 15. Mai 2023 davon ab, ob das Amtsgericht München dem Antrag auf Anordnung des Schutzschirmverfahrens zustimmt. Eine Finanzierung der Rückzahlungen ist in den letzten Wochen nicht realisiert worden. Sollte dieser Antrag scheitern sind die Zukunftspläne von Sono Motors offensichtlich nicht mehr realisierbar.

 „Die Sono Motors GmbH hat am 15. Mai 2023 beim zuständigen Amtsgericht München einen Antrag auf Anordnung eines Schutzschirmverfahrens gestellt. Der Geschäftsbetrieb wird im Rahmen des Schutzschirmverfahrens fortgeführt.“ ( Auszug aus der Pressemitteilung von Sono Motors vom 15. Mai 2023)


Fazit

Mit der Entwicklung des Solar-Autos haben sich in den letzten Jahren einige prägende Alleinstellungsmerkmale herausgebildet. Das wenig flexible Konzept mit einer Solaroberfläche, einem einzigen Farbton und einer Ausstattungsvariante ist dabei nur bei einer überschaubaren Community auf Interesse gestoßen. Gerade in diesem Jahr ist die Konkurrenz schon sehr viel besser aufgestellt in diesem Fahrzeugsegment. Und unterhalb des Segments in der Kategorie Leichtkraftwagen hat sich der nächste große Trend im kommenden Jahr bereits entwickelt. Mit dem Aus für den Sion beginnt für Sono Motors die Konzentration auf das Kerngeschäft der Zukunft: Ausrüster für die Solarintegration in Fahrzeuge von Drittanbietern. Aber auch dieses Vorhaben hängt jetzt am seidenen Faden.

Addendum

Titelbild – Prototyp Sono Sion – Copyright Sono Motors

Welche Chancen gebt Ihr dem neuen Sion von Sono Motors?

N. Hagedorn
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