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Golf GTE 2022 Test

Golf 8 GTE 2022 – Great Transformer?


Die neue Generation vom Golf 8 ist äußerlich nur dezent erneuert, die inneren Werte offenbaren aber ein interessantes Fahrgefühl mit einem völlig neuen technischen Konzept und einem digitalisierten Cockpit. Bei den aktuellen Disruptionen am Fahrzeugmarkt, den revolutionären äußeren Bedingungen durch die weltweite Corona-Pandemie und einer damit sich verändernden Arbeitswelt bildet der transformierte Golf aus dem letzten Jahrhundert zurzeit wohl noch eine der wenigen Konstanten in der Automobilwelt. Das macht den Golf 8 als konzerneigenen Gegenspieler zum elektrischen VW ID zu einem interessanten Konkurrenten. Zwei Testwochen im norddeutschen Herbstwetter wird er im echten Norden auf die Probe gestellt.


Nicht umsonst hat sich schon zu Beginn der Siebzigerjahre der Begriff „Golfklasse“ etabliert und damit einige Standards bis heute gesetzt. Der quer eingebaute Motor, der Frontantrieb und der großzügige Innenraum sind bis heute tradierte Merkmale der Fahrzeugklasse. Mit der 8. Generation bleibt der Golf vielen lieb gewonnenen Werten treu und setzt ganz eigene Schwerpunkte für das neue Jahrzehnt. Übernommen wurde der bekannte und leicht modifizierte Querbaukasten, der mit fast gleichen Abmessungen aus dem alten Golf nicht mehr Platz bietet als bisher. Dem Zeitgeist angepasst wurden fast alle Leuchtmittel mit LED-Technik ausgestattet, die Matrix LED-Scheinwerfer gehören allerdings zur Sonderausstattung.


Der neue Plug-in-Hybrid mit dem Kürzel GTE ist die zivile sportliche Form als Plug-in-Hybrid. Er bringt als der stärkste Plug-in-Hybrid der Golfherde die gleiche Leistung wie der GTI, wenn der 13-kWh Akku genügend Strom bereitstellt, um den 110-PS-Elektromotor mit Energie zu versorgen. Das weitere Aggregat ist der 150-PS-Vierzlylinder-Motor. Macht dieses System mehr Fahrspaß als der der GTI? In unserem Test zeigt der GTE alle typischen Golfeigenschaften. Eine solide Verarbeitung und ein ausgereiftes Fahrwerk machen ihn zum Universalauto für die Stadt bis hin zur Langstrecke. Das Mehrgewicht durch den zusätzlichen Akku und den E-Motor macht sich bemerkbar. Im reinen Verbrennerbetrieb muss der Motor das Zusatzgewicht zusätzlich bewegen. In der Stadt kann der Teilzeit-Stromer ruhig gleiten, nach Normangaben unter optimalen Bedingungen bis zu 62 Kilometer. Das haben wir bei rauen klimatischen Bedingungen nicht erreicht, aber 40 Kilometer konnten wir dann doch erzielen im Nahverkehr. Ein wichtiger Aspekt für einige FahrerInnen ist dann noch die Steuerbefreiung in der Kfz-Steuer und die Reduzierung für die private Nutzung auf 0,5 % des Anschaffungspreises pro Monat.


Bei vielen traditionellen Golf-Fans entfacht die digitale Bedienoberfläche ein zwiespältiges Gefühl. Einige trauern den traditionellen analogen Instrumenten hinterher, bei anderen stellt sich nach kurzer Zeit eine neue Liebe zum digitalen und vom Smartphone bekannten Touchsystem ein. Einige Funktionen wie das Klimamenü oder das Sprachmenü haben einen leichten Timelag. Dafür entschädigt die Sliderbar mit zügiger Bedienung hinsichtlich der Lautstärke- oder Temperaturregelung.


Assistenzsysteme


Der Golf 8 begegnet dem Zeitgeist mit einigen aufgefrischten Assistenzsystemen. Die Rekuperation ist bei Aktivierung für die Rückführung aller Energiepotenziale bei Bremsvorgängen verantwortlich. In der Praxis merkt man es, sobald man den Fuß vom Gaspedal nimmt. Ab dann rollt der GTE grundsätzlich, um möglichst effizient die Energie zu nutzen. Läuft man auf ein vorausfahrendes Auto auf, wird eine Kurve genommen, übertrifft man die erlaubte Höchstgeschwindigkeit oder fährt auf eine Kreuzung zu, rekuperiert das Auto automatisch. Nach den aktuellen Updates funktioniert dieser Vorgang inzwischen mit roten Ampeln, die Car2X unterstützen. Die Hauptfunktionen des Gaspedals ändern sich auf Beschleunigung oder zur Steuerung des Rekuperationsvorgangs. Mit der Aktivierung vom Travel Assist funktioniert sogar die Kontrolle der Lenkung und Bremse bis zum Stillstand. Anschließend fährt der GTE selbstständig wieder an.


Mit den eingeschalteten Assistenzsystemen kann man den Golf selten an seine physikalischen Grenzen bringen. Mit dem traditionellen Frontantrieb kommt man sicher durch den Alltag und vor allem in den Kurvengeschwindigkeiten zeigt sich der Golf spurstabil. Der kräftige Elektromotor mit einem guten Drehmoment hat einen guten Anzug und verhilft gerade bei kurzfristigen Überholvorgängen für ansprechendes Tempo. Erst bei hohen Autobahngeschwindigkeiten über 130 km/h wird der Verbrennungsmotor wahrnehmbar und zieht darüber mit hohen Drehzahlen das Geräuschniveau nach oben. Deutlich ruhiger wird es in Abschnitten, in denen man zeitweise den Fuß vom Gaspedal nimmt oder bergab rollt.


Rechenexempel


Der 1,4 Liter TSI Turbobenziner aus dem Volkswagenkonzern produziert moderate Verbrauchswerte. Bei leerem Akku kommt man selbst im Herbst im Durchschnitt kaum über 6 Liter/100 km. Im Schnitt lagen wir bei unseren gemischten Teststrecken zwischen 5 und 6 Litern im realen Verbrauch. Im reinen Elektromodus im Citybereich schwankt der Verbrauch. Während im Sommer 14 bis 16 kWh pro 100 km Wegstrecke noch unter optimalen Bedingungen erzielbar sind, schnellt der Wert mit Einschaltung der Heizung schnell über 20 kWh. Die reale E-Reichweite schmilzt dann schnell auf 30 Kilometer herunter.
Damit lässt sich dann aber auch schnell die optimale Nutzergruppe definieren. Wer beruflich pendelt und privat längere Strecken fährt, kann mit dem Kompromiss des Plug-in-Hybrid gut leben. Für die täglichen Fahrten zur Arbeit kann die Wallbox zu Hause oder am Arbeitsplatz genutzt werden.

Fazit


Der GTE ist ein ausgereifter Plug-in-Hybrid, der sowohl zum Pendeln für die Fahrten zum Arbeitsplatz genutzt werden kann als auch für die Ausflüge und Freizeitaktivitäten. Für Nutzer mit der eigenen Wallbox im Carport oder in der Garage kann der GTE einfach über Nacht komplett aufgeladen werden. Der Golf als Plug-in-Hybrid ist zumindest noch bis Ende 2022 aufgrund des Umweltbonus ein interessantes Auto für Berufspendler.

N. Hagedorn