Es gibt wohl kaum eine aufwendiger gedrehte Autoverfolgungsjagd im Filmbusiness als die zwischen einem 1968er Ford Mustang Fastback und einem Dodge Charter R/T als die aus dem Filmklassiker „Bullitt“ mit Steve Mcqueen in der Hauptrolle. Wer einen Mustang fährt, kennt die gut zehnminütige Sequenz ohne Dialoge. Die Legende vom raubeinigen Ford Mustang muscle car mit der schier unerschöpflichen Kraft eines V8-Motors war geboren. Gut vier Jahrzehnte später standen die Designer von Ford vor einer ähnlichen Herausforderung, aber unter ganz anderen Voraussetzungen. Die Aufgabe war, ein unverwechselbaren Elektro-Cross-Over auf die Beine zu stellen, der die neuen Anforderungen des Zeitgeistes repräsentieren sollte – elektrisch, emissionsfrei und atemberaubend. Was bleibt vom legendären Charme des Ford Mustang?
Auf den ersten Blick bleiben einige seit Generationen typische Merkmale erkennbar. Eine lang gezogene, markant geformte Motorhaube mit einem charakteristischen Übergang in die A-Säule formen einen ausgeprägten Mustang. Die tradierte Coupe-Linie ist beim Cross-over genauso erhalten geblieben wie die ausgeformten Radkästen. Am Heck finden sich die modelltypischen, drei vertikal angeordneten Heckleuchten als krönender Abschluss. Daneben sind etliche Modifikationen in Richtung emissionsfreier Zukunft implementiert, die den Mustang Mach e aufwerten zu einer neuen Zeitgeist-Ikone. Ausgeprägt ist der geschlossene Kühlergrill mit dem erhabenen Markensymbol und das aerodynamisch neu gestaltete Heck sprechen für eine klare, leistungsorientierte Form.
Schon mit diesen Alleinstellungsmerkmalen hebt sich der Mustang wohltuend von allen überbordend modern gestalteten Elektroautos hervor. Es ist ein in die Zukunft gewandter Entwurf mit prägenden Adaptionen aus der Markengeschichte. In der Testwagenversion hat er Potenzial, als sportliches SUV mit 258 kW/351 PS und 580 Newtonmeter Drehmoment einen guten Platz in der Elektro-Cross-over-Riege einzunehmen. Wer auf noch mehr Leistung setzt, kann auf die Spitzenversion Mach E-GT upgraden. Der ebenfalls mit Allradantrieb ausgerüstete Mustang bringt mit 358 kW/487 PS bei einem Drehmoment von 860 Newtonmeter noch einmal einen deutlichen Leistungspush.
Leistung und Charme
Einsteigen und wie Steve McQueen fühlen? Ganz sicher nicht, der Innenraum ist deutlich digitaler mit einem sehr kompakten zentralen Cockpit hinter dem Sportlenkrad und einem großformatigen und sehr gut auflösenden Infodisplay in der Mittelkonsole. Per Klick auf die Abbildung vom Mustang links oben lassen sich vor den ersten Fahrten alle individuellen Einstellungen konfigurieren. Neben den Geräusch und Ambiente-Einstellungen sind wohl die drei wählbaren Fahrmodi am häufigsten im Alltagsgebrauch. Für die defensive Fahrweise steht die Auswahl auf „Zahm“ mit einer leicht zu betätigenden Lenkung, einer angenehmen Ruhe im Innenraum und einer moderaten Beschleunigung. Für die Fahrten in der City ist es die optimale Wahl, gerade im Hinblick auf die strenger wirkenden Geschwindigkeitslimits.
Die Auswahl „Aktiv“ kann man als guten Kompromiss bezeichnen für die Überlandfahrten. Deutlich straffere Lenkradmeldungen, eine gute Beschleunigung bei Überholmanövern und eine spürbare Wahrnehmung des Leistungspotenzials. Geht es schließlich auf die Autobahn oder auf freie Übungsstrecken kann man gerne auf „Temperamentvoll“ übergehen. Deutlich spürbare Beschleunigungsvorgänge und ein straff abgestimmtes Fahrwerk bieten dann schon das Gefühl für den sportlichen Markenkern des Ford Mustang.
Wer ein Freund der adaptiven Geschwindigkeitsregelung ist, kann den Modus direkt per One-Touch-Bedienung mit dem linken Daumen am Multifunktionslenkrad aktivieren. Mit der Einschaltung erfolgt die automatische Übernahme der Geschwindigkeit und der voreingestellte Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug wird überwacht und geregelt. Am Display kann dann gleich auch die aktuelle Geschwindigkeit mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit abgeglichen werden. Das ist schlicht und damit fahrerorientiert gelöst.
Rast an der Ladestation
Wer die Pferde laufen lässt, braucht den Zwischenstopp an der Ladesäule. Mit dem großen Akkupaket lassen sich an wärmeren Tagen beim lässigen Cruisen Verbrauchswerte unter 22 kWh erzielen. Wir sind überwiegend im Kurz- und Mittelstreckenbereich unterwegs gewesen. Bei den Autobahnfahrten landet die Verbrauchsanzeige leicht bei über 30 kWh/100 km. Hier regelt unser Testwagen dann aber auch konsequent gemäß dem Zeitgeist bei 180 km/h ab. Bei vielen E-Autos sind die Prospektangaben leider in der Praxis nicht zu erzielen. Beim Mach-E weichen die Daten in der Praxis auch leicht nach oben ab. Das kühle Frühjahr bei Temperaturen zwischen 0 und 10 Grad fordert seinen Tribut. Aber immerhin können wir noch gut 350 Kilometer im energiesparenden Modus realisieren.
Wer jetzt an die Ladestation fährt mit einer Restkapazität unter 20 % kann auch gleich mal die Ladevorgänge begutachten. Der CCS-Gleichstromlader kann bis zu 150-KW-Ladeleistung realisieren. Wie bei allen Ladevorgängen ist das aber nur ein Maximalwert, der sich nur im unteren 2/3 Bereich der Akkukapazität zeitweise erzielen lässt. Wir haben bei unserem Test an den ARAL-300kW-Superchargern allerdings im Maximum 110 kW erzielt. Somit konnte die Aufladung von 15 % auf 80%-Ladung innerhalb von 45 Minuten erzielt werden.
All the small things
Ein paar Gimmicks heben den Mustang E vom digitalen Einerlei ab. Die traditionellen Türgriffe wurden endlich mal ersetzt durch ein einfaches Touchpad in Kreisform. Und wer den Key nicht griffbereit hat, kann per 4-stelligem Code die Türen öffnen am Fensterrahmendisplay. Die Integration des Smartphones durch zwei großzügige Ladeflächen und die Einbindung der zwei großen Player Apple und Android lädt ein zur einfachen Integration der Smartphone-Oberflächen auf das spiegelfreie zentrale Display. Wünschenswert ist wohl nur noch, das Display in der Höhe und Winkel individuell verstellen zu können. Die Ladeklappe ist seitlich vorne an der Fahrerseite platziert. Auffällig gut gelöst ist die Kombination aus der Ladestandanzeige und dem Trennen-Button zum Abbruch des Ladevorgangs direkt am Fahrzeug.
Der neue Mustang ist nicht nur technisch interessant, sondern auch optisch ein gelungener Wurf in der elektrischen Cross-over-Szene. Er sieht ansprechend aus wie ein typischer Mustang und bringt jetzt auch die Beschleunigung auf den Asphalt. Damit lässt er auch den Vorfahren aus „Bullitt“ alt aussehen. Die berühmteste Auto-Verfolgungsjagd der Filmgeschichte hat er trotzdem gewonnen, und wenn jetzt der legendäre Soundtrack „A Song for Cathy“ im Cockpit durch die Soundanlage säuselt, dann verbinden sich Vergangenheit und Zukunft in einem spannenden Dialog.
Fazit
Was bleibt vom Ritt auf dem elektrischen Mustang Mach E als Resümee übrig? Mit dem konsequenten Aufbau auf einer eigenen Plattform ist die Basis für weitere Generationen eines sportlich ausgelegten Cross-Overs gebildet. Mit den optischen Anlehnungen an den traditionellen Mustang und dem digitalen Interieur hat er den Spagat zwischen Tradition und Zeitgeist bewältigt. Mit der Reduzierung auf die wesentlichen Bedienungselemente und vielen sinnvollen digitalen Ergänzungen spricht er mit einer sinnvollen Smartphone-Integration ein breiteres Publikum als mit dem traditionellen Mustang an. Wer sich mit dem strafferen Fahrwerk und dem Charme eines Sport Coupes anfreunden kann, findet einen ausgereiften Stromer vor, der sich auch gerne im Langstreckenbereich bewegen kann. Die Verbrauchswerte lassen sich nach eigenem Gusto steuern von sparsam bis sportlich. Der elektrische Mustang hat das Zeug zum Generalisten in der elektrischen Cross-Over-Szene auf dem Asphalt.
Addendum
Test aus dem Frühjahr 2022
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