Das Elektroauto wird heute schon als Klimaretter und Umweltauto verkauft. Beim zurzeit vorhandenen Strommix hat der Branchenverband BDEW ermittelt, dass ein Elektroauto 60 Prozent weniger CO2 im Fahrbetrieb produziert als ein konventionelles Auto. Beim Einsatz von reinem Ökostrom sieht die Umweltbilanz noch besser aus. Betrachtet man den reinen Energieverbrauch pro gefahrenen 100 Kilometern schneidet der Elektromotor mit dem wesentlich besseren Wirkungsgrad ebenfalls besser ab. Aus diesem Blickwinkel wird zurzeit ein zügiger Umstieg auf das Elektroauto von Seiten der Umweltverbände proklamiert. Die massive Produktion von Elektroautos in den kommenden Jahren verlangt jedoch weltweit einen drastischen Anstieg der Gewinnung von Spezialmetallen wie Kobalt, Lithium, Graphit oder Nickel, die bisher nur eine untergeordnete Rolle spielten.
Der Hype um das Elektroauto
Die Diskussion für neue Antriebsformen sind seit dem Dieselgate befeuert worden. Tesla preschte mit dem Elektroauto im vergangenen Jahrzehnt vor und demonstrierte abgasfreie Mobilität als Meilenstein für das 21. Jahrhundert. In den letzten Jahren wurden in den europäischen Ländern zügig mehr oder minder große Steuervorteile und Anreize zur Anschaffung von Elektroautos auserkoren. Damit wurde die Nachfrage nach den „Klimarettern“ mit dem zurzeit vergleichsweise höheren Anschaffungspreisen angeschoben. Volkswagen als Weltmarktführer im Automobilbau hat das Elektroauto als Zukunftstechnik inzwischen in den Fokus ihrer Produktion für die Zukunft gehievt. BMW und Daimler setzen etwas verhaltener auf den Trend. Etwas in den Hintergrund sind zurzeit die Wasserstoff- und Erdgasantriebe geraten.
Die Studie „Weniger Autos, mehr globale Gerechtigkeit“, die von den kirchlichen Entwicklungsorganisationen Brot für die Welt, Misereor sowie der NGO PowerShift veröffentlicht wurde, weist auf die Folgen einer steigenden Elektroautoproduktion hin.
Spezialmetalle werden für Elektromotoren benötigt
Da für die Produktion von Elektromotoren und Akkus zusätzlich Spezialmetalle wie Kobalt, Lithium, Graphit und Nickel benötigt werden, nimmt deren Verbrauch weltweit drastisch zu. Laut der Studie könnte der Verbrauch von Lithium für E-Autos die heutige Produktion bereits um das Vierfache übersteigen, und auch der prognostizierte Kobaltverbrauch liegt deutlich über den derzeitig geförderten Mengen.
Beim Abbau dieser Rohstoffe würden oft Böden, Wasser und Luft verseucht und der Bevölkerung in den betroffenen Regionen die Lebensgrundlagen entzogen, kritisiert Sven Hilbig von Brot für die Welt. Außerdem sähen sich Umweltschützer und Menschenrechtsverteidiger vielfach Repressalien ausgesetzt. Hotspots sind hier unter anderem das sogenannte Lithiumdreieck zwischen Argentinien, Bolivien und Chile sowie die kobaltreiche Demokratische Republik Kongo.
Der Weg zum Lithium-Abbau
Die deutschen Autobauer hätten durchaus erkannt, „dass sie die Herkunft der Rohstoffe und die menschenrechtlichen Auswirkungen nicht länger ignorieren können“, bewertet Misereor-Referent Armin Paasch die Lage. Allerdings: „Vor Ort hat sich für die Betroffenen wenig verändert.“ Er fordert deswegen, die deutschen Unternehmen gesetzlich zu verpflichten, dass sie für die Achtung der Menschenrechte in ihrer Wertschöpfungskette Sorge tragen müssen.
Um Mobilität in eine umwelt -und klimafreundliche sowie global gerechte Spur zu bringen, braucht es laut der Studie zudem eine grundlegende Verkehrswende. Die Zahl der in Deutschland zugelassenen Autos – 56,5 Millionen Kraftfahrzeuge, davon 46,5 Millionen Pkw – müsse dazu „drastisch reduziert“ und der Vorrang des Autos in der Stadtplanung und bei der Finanzierung der Infrastruktur beendet werden. „Elektroautos mit Akkuspeicher sind zwar ökologisch die derzeit beste Option, um Verbrennungsmotoren zu ersetzen, aber auch sie verbrauchen endliche Rohstoffe in hohen Mengen“, sagte die Mitautorin der Studie, Merle Groneweg von PowerShift.
Für die Zukunft taugt eigentlich nur eine deutliche Reduzierung der bestehenden Autoflotte zur Reduzierung der Umwelt- und Klimabelastungen. Der Anstieg der Produktion von Elektroautos bedingt eine weltweite Ausbeutung der Spezialmetalle. Das führt zu großformatigen Joint Ventures, wie zum Beispiel zwischen Deutschland und Bolivien zur Gewinnung von Lithium. Häufig wird es inzwischen aufgrund der Wertsteigerungen als „weißes Gold“ bezeichnet.
Verwendet wird es für die Akkus von Smartphones und Laptops, Stromspeicher von Solarsystemen und in Zukunft für die Akkuspeicher von Elektroautos. Damit kommt dem Lithium die Rolle eines Schlüsselrohstoffes zu. Nur mit dem kostbaren Rohstoff ist ein Start in die Massenproduktion von Elektroautos zurzeit vorstellbar. Die lithiumfreie Feststoffbatterie befindet sich noch in der Entwicklungsphase.
Lithium im Salzsee Salar de Uyuni
Ein besonderer Coup ist der Firma ACI Systems Alemania (ACISA) in Bolivien gelungen. Das Unternehmen aus Schwaben erhält den exklusiven Zugang auf die Lithium-Vorkommen im Salzsee Salar de Uyuni, der im sogenannten „Lithiumdreieck“ zwischen Argentinien, Bolivien und Chile liegt. Hier werden weltweit die größten Lithium-Reserven erwartet. Die Produktion erfolgt in Form eines Joint Ventures mit dem bolivianischen Staatsunternehmen Yacimentos de Litio Bolivianos (YLB) voraussichtlich ab dem Jahr 2021. Geplant wird die Gewinnung von bis zu 50.000 Tonnen Lithiumhydroxid pro Jahr.
Experten gehen davon aus, dass mit dieser Menge bis zu einer Million E-Autos mit Akkus ausgestattet werden können. Der Deal soll dem Produktionsstandort Deutschland einen deutlichen Anschub zur Fertigung von Batteriezellen ermöglichen. Von politischer Seite führte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU hierzu aus: „Deutschland soll ein führender Standort für die Batteriezellfertigung werden.“ Für die Produktion soll ein verlässlicher und wettbewerbsfähiger Rohstoffbezug aus umweltgerechter Gewinnung und Weiterverarbeitung beitragen.
Die Gewinnung von Lithium ist aktuell mit Umweltschäden und damit verknüpften sozialen Problemen gekoppelt. In Chile hat das Abpumpen von lithiumhaltiger Salzlake laut Berichten von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen zur Absenkung des Grundwasserspiegels in den betroffenen Gebieten geführt. Die direkte Folge ist laut den Untersuchungen von NGOs die Austrocknung von Flussläufen und Feuchtgebieten.
Gefahren für die indigenen Völker
Die ersten umfangreichen Gewinnungsmaßnahmen sind schon im sogenannten Lithium-Dreieck Argentinien-Bolivien-Chile erfolgt, hier werden 70% der weltweiten Lithium-Vorkommen vermutet. In den kargen Hochgebirgslandschaften von Argentinien liegen die Salzwüsten von Argentinien. Die Gebirgshänge, auf denen meterhohe Kakteen gedeihen, liegen auf knapp 4.000 Meter Höhe. In diesen sauerstoffarmen Höhen ist die Witterung vorwiegend kühl und trocken. Einige wenige Straßenzüge winden sich durch dünn besiedelte Gebiete.
In diesen Regionen leben circa 100.000 Kollas, ein indigenes Volk, das von der Lamazucht und Handwerkskunst lebt. Sie pflegen ihre tradierte Kultur seit Hunderten von Jahren. In den letzten Jahren sehen sie die Basis ihrer Lebensgrundlagen schwinden. Die Landschaften in den Hochgebirgen werden mit den Maschinen zum Rohstoffabbau das komplette Landschaftsbild verändern. Seit dem Start des Lithium-Abbaus in den letzten Jahren beobachten sie laut eigenen Angaben Veränderungen bei ihren Lamaherden. Häufig kommen Tiere mit Behinderungen wie krummen Beinen und Zysten zur Welt. An diesen Merkmalen sterben sie kurze Zeit nach der Geburt.
Die Protestbewegungen im Departement Potosi, in dem der Salzsee liegt, haben auf die Nachteile für die Bevölkerung hingewiesen. Nach Ansicht der Demonstranten haben die Einwohner keinen guten Schnitt gemacht bei dem Deal. Boliviens Regierung hat inzwischen das Joint Venture zur Lithiumgewinnung mit einem deutschen Unternehmen annulliert. Der Gouverneur des Departements Potosí erklärte laut der Nachrichtenagentur ABI, die Regierung von Präsident Evo Morales habe das Projekt per Dekret gestoppt. Inzwischen sind die politischen Unruhen nach der Präsidentschaftswahl durch die Spaltung des Landes in zwei politische Lager auf das gesamte Land ausgeweitet. Bis zur Befriedung des Landes werden wohl keine weiteren Aktivitäten zum Lithium-Abbau erfolgen.
Addendum
Titelbild – Lithium Vorkommen im Salzsee Salar de Uyuni – ©iferol – stock.adobe.com
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